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Bei der Pferdefütterung kommt es auf eine bedarfsgerechte Zusammenstellung der Ration an.
17. Oktober 2022, von Dominique Schroller
Fütterung: Fett oder Fit - das ist die Frage
Den Speiseplan des Pferdes stellt häufig das Bauchgefühl, manchmal der Stallbesitzer und zuweilen sogar der Zufall zusammen. Warum eine genaue Berechnung deutlich besser ist, erklärt Pferdewissenschaftlerin Constanze Röhm im Interview.
Rundum gut versorgt - das wünschen sich Besitzer für ihr Pferd. Doch wieviel wirklich genug und was zuviel des Guten ist, das wissen nur die Wenigsten. Über richtige Rationen, Übergewicht, Diäten, Leckerchen und Futterzusätze haben wir mit der Pferdewissenschaftlerin und Futterberaterin Constanze Röhm gesprochen. Sie ist Expertin für Magen-Darm-Erkrankungen, Dozentin, Autorin und beschäftigt sich seit vielen Jahren intensiv mit dem Thema Ernährung.
Warum herrscht beim Thema Pferdefütterung so viel Unwissenheit und Verunsicherung?
Constanze Röhm: Das liegt vor allem an zwei Dingen. Zum einen ist das Thema aufgrund sehr intensiver Forschung extrem komplex und so detailliert geworden, dass es für den Pferdebesitzer kaum noch überschaubar ist. Zum anderen gibt es in der Futtermittelindustrie neben den seriösen Unternehmen auch solche, die sich ganz gezielt über wissenschaftliche Erkenntnisse hinwegsetzen und mit falschen Versprechen werben. Dazu kommen Heilberufe ohne gesetzliche Regelung, wo sich eben auch Therapeuten ohne fundierte Ausbildung tummeln, die eben auch nicht kompetent informieren. In der tierärztlichen Ausbildung kommt das Thema in der Regel auch zu kurz und so wissen viele Pferdebesitzer einfach nicht, was sie glauben und woran sie sich orientieren sollen.
Wo empfehlen Sie, sich Rat zu holen?
Röhm: Bei Spezialisten für Pferdeernährung. Bei der Auswahl lohnt es sich, darauf zu achten, dass der jeweilige Experte eine gute Ausbildung gemacht hat und mal genau hinzuschauen, wo er wie lange gelernt hat, was er im Hauptberuf macht, wieviel Erfahrung er mitbringt und wie transparent und fundiert das alles ist. Es ist wirklich sinnvoll, an dieser Stelle kritisch zu sein und auf Qualität zu achten.
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Für die Berechnung der richtigen Ration ist der Pferdebesitzer selbst verantwortlich.
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Futterberaterin Constanze Röhm empfiehlt vor allem viel Rohfaser zu füttern.
Was sind nach Ihrer Erfahrung die häufigsten Fehler?
Röhm: Der größte Fehler ist, nicht hinzuschauen und sich darauf zu verlassen, dass das der Stallbetreiber schon alles richtig macht. Pferdefütterung ist ein Handwerk und keine Raketentechnik. Jeder Pferdebesitzer sollte sich daher damit beschäftigen, was sein Tier wirklich braucht und ob die Rationen wirklich stimmen. Das lässt sich mit einem einfachen Dreisatz berechnen. Faustformeln wie 1,5 Kilo Heu auf 100 Kilo Körpermasse sind keine stimmigen Richtwerte. Solche Mengen reichen bei weitem nicht. Wer sich daran orientiert, muss damit rechnen, dass das Pferd massive Magenprobleme bekommt. Umgekehrt sind mehr als 2,2 Kilo Hafer pro Tag zuviel. Den hohen Stärkeanteil kann das Pferd nicht verwerten.
Was braucht denn ein Pferd wirklich, um rundum gut versorgt zu sein?
Röhm: Zunächst einmal braucht es Rohfaser - und zwar so viel, wie es fressen möchte. Heu ad libitum zu geben, ist aber nicht für jedes Pferd sinnvoll. Gerade bei guten Futterverwertern wie Haflingern oder Isländern, für die eine Stunde Bewegung keine Belastung ist, kann eine Kombination aus Heu, Stroh und Holz zum Knabbern eine gute Alternative sein. Die Zusammenstellung von Eiweiß (Raufutter) und Energie (Kraftfutter) sollte auf den Erhaltungsbedarf und die Belastung des Pferdes abgestimmt sein. Kraftfutter ist nur dann sinnvoll, wenn Heu und Stroh den Bedarf alleine nicht mehr decken können. Eine pauschale Rationsgestaltung, die für die meisten Pferde passt, gibt es nicht. Die muss jeder Besitzer individuell berechnen. Das ist seine Aufgabe und nicht die des Stallbesitzers.
Wie kann denn jeder Besitzer herausfinden, was sein Pferd tatsächlich frisst und ob das ausreicht?
Röhm: Auf der Weide frisst das Pferde etwa 50 Kilo Gras am Tag, also vier Kilo in der Stunde. Wenn es im Winter Heu bekommt, ist es sinnvoll, die Ration zu wiegen, dann zu schauen, wieviel das Pferd frisst und dann den Bedarf auszurechnen. Bei der Eiweißration rate ich dazu, nicht erst zu warten, bis das Pferd Muskulatur abbaut, sondern frühzeitig zu reagieren. Dazu ist es auch in diesem Bereich entscheidend, den Bedarf genau zu berechnen.
Worauf achten Sie, wenn Sie den Futterzustand eines Pferdes beurteilen?
Röhm: Erst einmal schaue ich mir den Allgemeinzustand genau an: Das heißt, ich achte auf den Ausdruck des Pferdes, sein Gewicht, das Fell, den Zustand der Hufe und der Zähne und ertaste, wie sich die Muskulatur anfühlt. Deshalb sollte ein Futterberater möglichst immer zum Stall kommen und das Pferd vor Ort beurteilen. Denn ein Foto hat nicht die Aussagekraft wie das, was ich sehen und vor allem ertasten kann.
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Auf der Weide frisst ein Pferd täglich etwas 50 Kilogramm Gras.
Wenn das Pony schon ordentlich Speck angesetzt hat - welche Diät empfehlen Sie?
Röhm: Am besten wäre es, wenn es mit Hilfe einer guten Rationsberechnung erst gar nicht so weit kommt. Ein Freizeitreiter kann höchstens 15 Megajoule am Tag durch das Training des Pferdes verbrauchen. Das sollte er dabei im Hinterkopf haben. Denn wenn das Pferd ein Sollgewicht von 500 Kilo hat und es wiegt 75 Kilo mehr, ist es nicht mehr vertretbar, es noch uneingeschränkt zu reiten. Denn 75 Kilo zusätzliches Fett und dann noch der Reiter mit etwa dem gleichen Gewicht ergibt eine Mehrbelastung von 150 Kilo auf den Bewegungsapparat, der darauf nicht ausgelegt ist. Bei Adipositas Grad 1 sprechen wir von zehn bis 15 Prozent über Normgewicht. Bei Grad 2 sind es 15 bis 20 Prozent, bei Grad 3 gehen wir von 20-25 Prozent aus und bei Grad 4 liegen wir bei mehr als 25 Prozent. Wenn ein Shetland-Pony mit einem Normgewicht von 160 Kilo stattdessen 200 Kilo wiegt, darf es nicht einmal an der Longe bewegt werden. Das wäre lebensbedrohlich. Die Kräfte, die dann auf die Gelenke wirken, sind immens. In solchen Fällen führt an einer Rationskorrektur kein Weg vorbei. Dabei geht es vor allem darum, Kohlenhydrate zu reduzieren. Das Pferd darf nicht hungern. Heu, Stroh und Holz zum Knabbern sollten immer verfügbar sein. Das bedeutet, wir sprechen von einer Gewichtsreduktion von 200 bis 300 Gamm pro Tag. Alles andere wäre eine zu große Belastung für Magen, Leber und Niere.
Wann ist ein Pferd zu dünn und was darf dann gerne mehr auf den Speiseplan?
Röhm: Also ad libitum Heu würde ich als Erstes auf den Speiseplan setzen. Wenn das nicht ausreicht, kann noch Kraftfutter hinzu kommen, um den Bedarf zu decken und Defizite beispielsweise bei der Energieversorgung auszugleichen. Grundsätzlich ist es einfacher, ein schlankes Pferd zu füttern als eines, das zu Adipositas neigt, weil hungern eben keine Option ist. Besser ist es jedoch, es erst gar nicht so weit kommen zu lassen, sondern frühzeitig zu reagieren, sobald das Pferd beispielsweise etwas schlapp erscheint.
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Wenn das Pferd zu dick ist, muss der Besitzer die Kohlehydratmenge reduzieren. Das Pferd daraf jedoch nicht hungern.
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Constanze Röhm mit ihrem Maultier. Das bekommt nur bei außergewöhnlichen Belastungen Kraftfutter.
Futterzusätze sind beliebt - was ist sinnvoll, was überflüssig oder gar schädlich?
Röhm: In dieser Hinsicht bin ich Puristin - je weniger, desto besser. Ein Mineralfutter sollte dazu gehören, allerdings möglichst nach Rationsberechnung und nicht nach Angabe auf der Packung. Auch bei allem anderen ist die Dosis entscheidend, ob es mehr nutzt oder mehr schadet.
Beim Thema Leckerchen scheiden sich ebenfalls die Geister: Was sagen Sie?
Röhm: Ich mag Leckerchen. Sie sind ein gutes Hilfsmittel im Training und in Maßen auch kein Problem. Alle handelsüblichen Produkte sind nicht schädlich, die meisten enthalten sogar wertvolle Nährstoffe. Für mich ist es auch legitim, ein Pferd aus der Hand zu loben.
Wie füttern Sie Ihre eigenen Pferde?
Röhm: Im Sommer Weide, im Winter Heu und Stroh, dazu Mineralfutter und Kraftfutter nach Bedarf und Einsatz. Meine Shetland Ponys, die vier- bis fünfmal pro Woche bis zu 20 Kilometer vor der Kutsche laufen, brauchen Kraftfutter. Meine Seniorin, die altersbedingt dünner geworden ist, bekommt zusätzlich Heucobs, als sie noch im Training war, hat sie täglich etwa ein Kilo Kraftfutter bekommen. Mein Maultier hat bei unserer Alpenüberquerung am Tag 1,5 Kilo Kraftfutter bekommen. Da sind wir aber auch täglich 40 Kilometer gelaufen. Zu Hause braucht es kein Kraftfutter mehr.
Literaturtipps von Constanze Röhm:
Manfred Coenen/Ingrid Vervuert - Pferdefütterung - Thieme Verlag
Ingolf Bender - Praxishandbuch Pferdefütterung - Kosmos Verlag
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